Literatur und Musik unter Reet
FRAUEN.MACHT.POLITIK.
Heide Simonis liest und diskutiert.
Für musikalische Begleitung sollten sorgen: Danuta Salska Leanne Ploschewski
Kein weiterer Stuhl war mehr im Museum der Landschaft Eiderstedt unterzubringen, Gäste an der Abendkasse mussten abgewiesen werden. Das Klavier für die musikalische Begleitung stand eingeklemmt zwischen Terassenfenster und erster Reihe. Allerdings wurde es auch nicht gebraucht, wie die Organisatorin des Abends, Sigrid Haeder, zu Beginn den Zuhörern mitteilen musste. Die musikalische Begleitung fiel leider aus. Dafür wurde mit herzlichem Beifall die Autorin und ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis begrüßt. Zunächst las sie aus ihrem Buch „Drei Rheintöchter“. Sie bezog ihre Zuhörer sofort mit der Frage ein, wann denn normalerweise nach dem Krieg der „Badetag“ war, freitags, wie ihre Schwestern meinten oder sonnabends, wie sie es in Erinnerung hatte. Die Beschreibungen ihrer Kindheit im rheinischen Bonn riefen Schmunzeln, Lachen hervor, denn die meisten Anwesenden hatten wohl ähnliches erlebt. Als Mädchen kein weißes Kommunionskleid zu bekommen, weil der Vater Protestant, die Mutter „nicht fromm, aber sehr katholisch“ war, dazu noch hochdeutsch sprechend, führte schon zu der Einsicht, dass sie damals „schlechte Karten“ hatte, wie sie mit viel Humor erzählte.
Den zweiten Teil ihres Vortrages beginnt Heide Simonis mit der Frage „Wie werd ich Millionär?“ aus ihrem neuesten Buch „Verzockt“. Antwort:“So alt können Sie gar nicht werden, um auch bei sparsamstem Leben von ihrem Einkommen…“ Und dann schildert sie, wie die deutsche Öffentlichkeit die schwere weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise wahrgenommen hat. „Geld ist zum Gut gemacht worden!“ Ratingagenturen, die die Güte der Bankpapiere einstuften, versagten. Boni in Millionenhöhe wurden für Vertragsabschlüsse bezahlt, von denen man nicht sicher war, ob sie das halten werden, was sie versprachen. Und sie versprachen zu viel, was einige wussten. Die Blase platzte. Und wer bezahlte dafür? Viele Bankangestellte verloren ihren Arbeitsplatz und vor allem und letztendlich zahlte der Steuerzahler, denn der Staat sprang mit Milliarden zur Rettung der Banken ein. Das System sollte geändert werden, geschehen ist bis heute wenig, zu wenig. Die meisten Staaten waren schon verschuldet, durch die Bankenkrise stieg die Schuldenlast. Sollen die Länder mit den größten Schuldenlasten aus dem Euro ausscheiden? Heide Simonis warnt vor einem Zusammenbruch, der ganz besonders Deutschland als Exportnation schaden würde.
Im dritten Teil ihres Vortrages, bei dem sie auch Fragen aus dem Publikum aufgriff, erzählte sie von ihrem Werdegang als Politikerin. Als erstes beschrieb sie die Menschen, die sie hier in Schleswig-Holstein vorfand: zuverlässig, vertrauenswürdig, ruhig. Nirgendwo sonst gebe es so viele ehrenamtlich Tätige. Ihre Erfahrungen in der Kommunalpolitik: „Frauen kamen in den Sozialausschuss, Männer besetzten die wichtigen Ausschüsse der Finanzen, des Bauens.“ Dass sie im Bundestag als erste Frau in den Haushaltsausschuss ging, als erste Frau Ministerpräsidentin wurde, erregte Aufsehen. Heide Simonis: „Man muss Nerven wie Drahtseile haben, darf nicht beleidigt sein und muss kämpfen wollen.“
Eine wichtige Rolle komme heute den Bürgern zu. Sie sollen sich nicht mehr alles gefallen lassen. Wenn eine Entscheidung wichtig sei, dann muss sie auch erklärt werden und: „Wenn Ihnen etwas nicht gefällt, dann sagen Sie es!“
Viel Beifall erhielt Heide Simonis für ihren engagierten Vortrag. Danach stimmte sie das Lied „Guten Abend, gute Nacht“ an und erstaunlicherweise sangen die Anwesenden erst etwas zögerlich, dann stärker mit. Sogar der Text war den meisten noch bekannt.