Wie war es eigentlich früher mit dem Einkaufen?

09. Oktober 2014, hjr
In die Loo des Museums Landschaft Eiderstedt hatte der Verein KulturTreff zu seiner Reihe „Museum im Gespräch“ eingeladen. Von der „Hökerei zum Supermarkt – Einkaufen gestern und heute“ war das Thema. Anwesend waren als Zeitzeugen und Berichterstatter Christa Marwig (*1929) aus ehemals Tümlauer Koog und heute Garding wie Karl-August Johst (*1939) und Marco Pioch (*1977).

Marco Pioch, Christa Marwig, Karl-August Johst

Den Hökerladen im Koog, zugehörig zu einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb mit vier Kühen und der Gastwirtschaft, gibt es seit 1975 nicht mehr. Größere Läden auf dem Lande hießen auch Lebensmittel-und Kolonialwarenhandlung. Auch in Tating ist kein Lebensmittelladen mehr. Im westlichen Eiderstedt muss man zum Einkaufen also nach Garding oder St. Peter-Ording. Da gibt es Lebensmittelmärkte wie die EDEKA-Märkte von Pioch Garding, Johst in St. Peter-Dorf und Bath im Bad. Oder es sind Discounter wie Sky, Lidl und Aldi mit einem über Lebensmittel weit hinausgehenden Angebot.

Sigrid Nolte Schefold aus Osterhever, zuständig für diese Veranstaltungsreihe, hatte eingangs im Rahmen der Begrüßung darauf hingewiesen, dass der dänische König vor 290 Jahren die Landhökerei gestattet hatte. Damit erst bekamen die Lebensmittelwaren einen Geldwert. Aber Tauschhandel war auch noch üblich. Wer wissen möchte, wie so ein Landladen eingerichtet war, kann das im Museum Haus Peters in Tetenbüll sehen: Regale, Schubladenwand und Tresen mit Schlitz für die Münzen, dazu viele Handelsartikel wie Imi, Sunlicht oder Dalli, Hoffmann’s Creme-Stärke, Linde’s, Boysen-Kaffee und Liebig’s Fleischbrüh-Würfel, dazu Senf-Behälter, Essig-Fässer, Glasballons und Gläser mit Bonbons. Diese standen als Leihgabe zur Anschauung auf einem Tisch bereit.

Christa Marwig erzählte als erste. Sie hatte die Landhökerei im Koog 1957 von ihrer Mutter Frieda Hinrichs übernommen. Seit Besiedlung des Kooges 1935 gab es den Laden. Eine Lehre hatte sie nicht absolviert. Das ging so über die Bühne. An Lebensmitteln war eigentlich alles da, von Zucker und Mehl über Graupen zu Sirup, Senf und Rollmöpsen im Blecheimer. An Käse gab es drei Sorten: Tilsiter, Edamer und Kümmelkäse. Back- und Puddingpulver, Hirschhornsalz, Kümmel, Pfeffer, Nelken und Muskat sowie Bohnenkaffee: „Pedro“ mit dem Hut, dann schmeckt der Kaffee gut.- Es gab auch Nägel und Nähnadeln, sogar Stacheldraht. 100 l Köm wurden im Monat verkauft. Viele ließen anschreiben, bezahlten dann am Monatsende oder eben später. Man kannte sich ja. Dafür gab es das „Kontobuch“. Verpackt wurden die Waren in Papiertüten und Pergamentpapier. Zeitungspapier diente immer als Umverpackung, z.B. für Zuckertüten. Zeit für einen Klöhnschnack hatte man immer. Ladenöffnungszeiten kannte man nicht. Es war ja immer einer da, von morgens früh nach dem Melken bis abends spät, auch am Sonntag. Der Ladenraum hatte so 10 bis 12 Quadratmeter. Lebensmittellieferant war Bartels & Langness aus Heide, alle vier Wochen. Oft wurden die Männer mit Handtasche und Einkaufszettel geschickt. „Ik heff denn de Saken tosamen packt. De seten derwiel in’e Kök oder Gaststuuv un drunken eer’n Tee mit ´Jürgen`“, erzählte Christa Marwig. Einmal habe auf dem Einkaufszettel zusätzlich „Junge, komm bald wieder“ gestanden.- Im Landladen gab es sogar einen Apothekerschrank. Dessen Inhalt wurde kontrolliert. Dazu kam extra jemand aus Flensburg. Hühneraugenpflaster, Glaubersalz und das Allerweltsschmerzmittel „Pyramidon“ – Wirkstoff Aminophenazon, heute wenn überhaupt nur auf Rezept – befanden sich dort. Zur Apotheke in Garding oder St. Peter war es schließlich weit.

Karl-August Johst hat bei Thams & Garfs in Garding gelernt. Das war ein 1908 gegründeter Lebensmittelhandel mit Niederlassungen und Filialen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen. 1914 gab es davon bereits fast 300.- Warenpflege hatte er zu lernen. So mussten Rosinen, die gepresst im Karton geliefert wurden, von Stielen und Steinen befreit werden. Dazu wurden sie auf Zimmertemperatur gebracht. Flaschen mussten gewaschen werden, denn Rum, Kümmel und Essig wurden in ihnen abgefüllt verkauft. „An meinem ersten Arbeitstag musste ich 180 Flaschen waschen, erst mit Flaschenbürste in heißem Waschkesselwasser und danach im kalten Wasser spülen“, berichtete Johst. Das Zumachen von Tüten musste man können. Gewürze wurden in Pergamenttüten verpackt. Mit Eiklar wurden sie „zugeklebt“. Montag und Freitag waren Landtour nach Vollerwiek über Borsthusen und Welt sowie nach Katharinenheerd, alles mit dem Transportfahrrad mit vorne großem Gepäckträger. Auch Leuchtpetroleum wurde mit ausgeliefert. Je nach Wind- und Wegeverhältnissen dauerte eine Tour bis zu vier Stunden.- Schaufenster wurden jahreszeitmäßig dekoriert. Deshalb lernte man Dekoration und Plakatschrift. Am 3. und 4. Advent waren „silberner“ und „goldener“ Sonntag. Da wurden nur Weihnachtssachen gekauft.

Ganz anders war es 1996, als Marco Pioch seine Lehre in Büsum absolvierte. Der Laden war zwar 400 Quadratmeter groß und doch zu klein. Während der Saison musste er am Tag bis zu 11mal wegen Überfüllung abgeschlossen werden. Sein heutiger EDEKA-Markt in Garding hat 1500 Quadratmeter Fläche. Es gibt 30.000 Artikel. Darunter sind 250 verschiedene Käsesorten. 4.000 könnte man bestellen. Öffnungszeiten sind von 7:00 bis 19:00 bzw. im Sommer 20:00 Uhr. Der Laden selbst ist wegen der Warenanlieferung rund um die Uhr besetzt. Pioch bezeichnete seine Art Läden als „Deutschlands größte Tante-Emma-Märkte“. Zum Dachlieferanten EDEKA-Nord gibt es extrem viele Fremdlieferanten, darunter z.B. die Osterhusumer Meierei Witzwort. Deren „Eiderstedter Traum“ ist eben Regionalität. Das wünscht der Kunde: „Kunden sind immer noch Persönlichkeiten, und wir müssen was Besonderes sein, sonst haben wir keine Zukunft!“ betonte er. Deswegen stellte er mit einem gewissen Bedauern fest, dass sie mit vier Leuten im Büro neben der Warenbeschaffung hauptsächlich damit beschäftigt sind zu verwalten, sich zu erkundigen, die Gesetze einzuhalten und alles zu dokumentieren. Zeit für Klöhnschnack ist heute eigentlich gar nicht.

JB-2014: "Hökerei" im Musuem

Viele kleine Geschichten belebten die Berichte der drei Zeitzeugen. Manchmal schmunzelten die zwanzig Zuhörer, ein andermal staunten sie nur. Für alle war es ein wunderbarer und höchst interessanter Abend, der auch nachdenklich machte, ob das denn heute in unserem Leben alles so richtig sei und wie es wohl weiterginge.- Es war in diesem Jahre der letzte „Gesprächsabend“ im Museum Landschaft Eiderstedt. Im Frühjahr 2015 wird diese Reihe fortgesetzt, deren Ziel es ist, Menschen im Museum zu historischen und zeitgeschichtlichen Themen miteinander ins Gespräch zu bringen. Das ist an diesem Abend hervorragend gelungen. Einige Besucher mehr aber hätte das Museum schon gern gesehen.