Scheinbare Leichtigkeit und doch Schwerstarbeit
22. April 2014, hjr
„Es war so toll, es war einmalig, köstlich!“ Dieses beglückende Gefühl musste Ulla Weißinger aus St. Peter-Ording einfach Kirchenmusikdirektor Christoph Jensen anlässlich des gerade gehörten Osterkonzertes mit dem German Marimba Duo in der St. Peter-Kirche am Abend des Ostermontag mitteilen. So wie sie hatten die um die hundert Konzertgäste das empfunden, was Matthias Krohn (*1956) und Andreas Schwarz (*1964) auf ihren beiden Marimbas bzw. den beiden Balafonen musikalisch gezaubert hatten. Der Verein zur Pflege und Förderung der Kirchenmusik hatte zu diesem außergewöhnlichen Ostermusikerklebnis eingeladen.
Fast unter dem Triumphkreuz hatten sie gespielt. „Geht denn das?“, mag mancher gedacht haben. Ein Osterkonzert mit diesen Instrumenten? Da denkt man schon eher an Choräle. Doch bei aller Traurigkeit über das Karfreitagsgeschehen ist Ostern ein Freudenfest für jeden Christenmenschen. Der auferstandene Christus ist Sinnbild der Lebendigkeit. Lebendig und voller Lebensfreude spielten die Schlagzeuger auf ihrem Lieblingsinstrument. Mit vollem Körpereinsatz brachten sie sich dabei ein. Dabei schien ihr Spiel so leicht! Doch der mehrfache Gebrauch ihres „Schweißtuches“ machte sichtbar, dass hier von den beiden Schwerstarbeit geleistet wurde.
JB-2014: German Marimba Duo
Mit der Eigenkomposition „Querkopf“ von Matthias Krohn als „Opener“ in der Art eines Osterblumenstraußes mit Orgelklang begann es. Bei seiner nächsten Komposition „Elektrified“ war es wie Höchstspannung mit Funkensprühen oder gar ruhig fließender Gleichstrom, den die beiden Marimbas vermittelten, bis plötzlich „der Stecker gezogen wurde“. Das Stück „Kaleidoscope Eyes“ von Andreas Schwarz wurde auf den Balafonen gespielt. Im Vergleich zu den Marimbas, bei denen Röhren die Resonanzkörper für die mit verschiedenen Arten von Schlägeln zum Klingen gebrachten Palisanderhölzer verwendet werden, sind es hier Kalebassen, die die Töne aus grob geschnitztem Buschholz verstärken. Wie im Kaleidoskop durch Verschiebungen beim Drehen Bilder entstehen, waren es die Töne, die immer wieder neue Eindrücke vermittelten. Erst leise, dann lauter, zum Teil schnarrend, kam die „Buschmusik“ immer kräftiger werdend rüber, bis sie wieder verklang.
Nun war das von Anfang an begeisterte Publikum richtig eingestimmt auf diese Art Musik. Es folgte mit den „Bildern einer Ausstellung“ (1874) von Modest Mussorgski (1839-1881) ein den meisten durch die 1922 erfolgte Orchestrierung von Maurice Ravel (1875-1937) wohl sehr bekanntes Stück. Matthias Krohn hatte 1997 die Idee, diesen Klavierzyklus für zwei Marimbas zu bearbeiten und trat damit an Andreas Schwarz heran. In den 1980er Jahren hatten sie sich im Studium an der Lübecker Musikhochschule kennen gelernt. Beide pflegten sie dort jeder für sich ihre intensive Beziehung zur Marimba. Damals galt das Spielen dieses Instrumentes selbst unter klassischen Schlagzeugern als „exotisch“. Das Nationalinstrument von Guatemala stammt ursprünglich aus Afrika.
Warum sollte das nicht klappen? Schließlich sind die Klangplatten aus Palisanderholz wie die Tasten auf der Klaviatur angeordnet. Die Marimba wird der Familie der Stabspiele zugerechnet. Dabei wird Ton allein durch Anschlagen des Holzes erzielt. Die Resonanzröhren aus Aluminium verstärken ihn dann so, dass beim Publikum Assoziationen an wesentlich größere Instrumente wie der Orgel hervorgerufen werden. Mit der Vielzahl der Schlägel, ohne oder mit Umwicklung aus verschiedenen Garnen, können den Marimbas Klangschattierungen von Hart, Weich, Voluminös entlockt werden. Also probierten die beiden zunächst. Dass es funktionieren würde, war keineswegs klar. Bald aber war der Erfolg abzusehen. Das war die Geburtsstunde des GERMAN MARIMBA DUO (GMD). Es passte: Begeisterung für das Instrument, Inspiration und Zusammenspiel. Dass das so ist, das wiederum konnte das Publikum in der St. Peter-Kirche par excellance erleben.
JB-2014: German Marimba Duo
JB-2014: German Marimba Duo
Mussorgski hatte das Werk seinem verstorbenen Freund, dem Maler Victor Hartmann gewidmet. Mit einem imaginären Rundgang durch eine Gemäldeausstellung werden in der Vertonung zehn verschiedene Bilder vorgestellt, verbunden durch sechs Promenaden. Einige Bilder entstanden real überhaupt nicht; sie sind nur in der Vorstellung vorhanden. Das GMD hat das Werk in allen 16 Sätzen für zwei Marimbas gesetzt und ihm damit auch eigene Akzente verliehen. Ein Textblatt zu den Bildern ließ die Zuhörer den Rundgang bewusster erleben.
Ein Besucher schlendert durch die Ausstellung, verweilt, schaut, geht weiter, bleibt vor dem ersten Bild, einem wackelnden Zwerg, stehen. Wie ein roter Faden zieht sich das Thema der ersten Promenade durch das gesamte etwa 35minütige Musikstück. Im „Alten Schloss“ verhilft das Marimba-Tremolo dem Lied des alten Troubadours zur Geltung. Die streitenden Kinder erlebt man genauso wie die tanzenden Küklein. Auf dem „Marktplatz“ scheinen die Schlägel zu fliegen. – Sie taten es am Schluss des musikalischen Bildes tatsächlich. – Der Ochsenkarren rollt vorbei, Baba-Yaga jagt durch die Lüfte, und in einer großen Prozession ziehen die Menschen am großen Tor von Kiew vorbei. Der russisch-orthodoxe Choral ertönt leibhaftig, als Matthias Krohn und Andreas Schwarz ihre Stimmen zusätzlich zum Einsatz bringen.- Enthusiastischer Beifall! Was für eine Dynamik, welche Konzentration, welches Zusammenspiel bei stets Blickkontakt des einen zum anderen bzw. umgekehrt, je nachdem, wer führend spielte. Wechsel der Schlägel, mal bei jedem vier oder auch weniger.
Die Zugabe auf den beiden Balafonen ließ dann noch einmal die Spielkunst der beiden Schlagzeuger in allen Variationen aufleben. Der leidende Christus vom Triumphkreuz stieg mit Siegesfahne auf in den Himmel. Osterkonzert einmal anders und doch auch mit Choral.
Und danach durfte selbst mit den Schlägeln auf den Marimbas gespielt werden. Welch eine Freude, vor allem für jüngere Musikliebhaber!