Aus dem Himmel in die Hölle
Hans Jörg Rickert (hjr), 09. Januar 2013
Still war es in der Aula der Nordseeschule in St. Peter-Ording. Mit gespannter Aufmerksamkeit hörten die Schülerinnen und Schüler des 12. Jahrgangs der Kurse Religion und Philosophie mit ihren Lehrkräften Torsten Westphal und Matthias Ramm zu. Vor ihnen saß Henning Taube aus Wennigsen bei Hannover und las aus seinem Buch „Im Wahn der Zeichen“. Zunächst ungläubig, dann gefangen von dem Lesevortrag, verfolgten sie den Bericht über seine zweite Psychose. „Die Magie hat mich gepackt. Es gibt keine Zufälle. Xavier Naidoo und Grönemeyer singen ihre neuen Lieder nur für mich.“ So beginnt er.
Henning Taube
In diesem Glauben war Henning Taube 1998. Er wollte die Welt retten, den Vatikan vernichten und wusste, wie Gerhard Schröder Bundeskanzler werden könnte. Der müsste eben nur das Kiffen legalisieren lassen. – Ausgelöst durch den Konsum von Haschisch und LSD hatte Taube, 20 Jahre alt, im Jahre 1990 seine erste Psychose. Jetzt hatte er wieder eine und jeden Hang zur Realität verloren. Er fühlte sich wie Jesus und meinte, Grönemeyer, Naidoo, Lindenberg, Schröder, alle müssten ihn kennen. Im Wahn der Zeichen kamen dann zu den vielen physischen auch seelische Schmerzen, der Wunsch zu sterben und die Erkenntnis, als „Gott“ versagt zu haben. Der zweite Aufenthalt in der Psychiatrie war erforderlich geworden.
Der Runde Tisch zur Sucht- und Drogenprävention hatte im Rahmen seiner Präventionsarbeit diese Lesung mit Henning Taube in Kooperation mit der Nordseeschule organisiert. Über authentische Information soll über Gefahren des Drogenkonsums aufgeklärt werden. Dass es richtig war, diese als Pilotprojekt im vorigen Jahr durchgeführte Veranstaltung erneut durchzuführen, bewiesen die vielen Fragen an Henning Taube, bei dem eine schizo-affektive Psychose diagnostiziert worden ist, die eng mit seinem langjährigen Drogenkonsum zusammen hing. Sie ist gekennzeichnet durch hoch euphorische und dann wieder sehr depressive Phasen.
Die Frage, ob er heute noch Probleme damit habe, beantwortete er sehr offen: Er brauche psychotherapeutische Hilfe und müsse Medikamente nehmen, deren Nebenwirkungen seinen Tagesablauf beeinträchtigten. Sich selbst gegenüber müsse er sehr aufmerksam sein und suche bei Anzeichen auch die Tagesklinik auf. Unterstützung erfahre er dabei durch seine Frau, die von Beginn der Beziehung an über seine Krankheit informiert ist. Sie ist Leiterein einer KiTa und weiß, dass er als Frührentner die Familie mit halbjährigem Sohn nicht unterhalten kann.
Henning Taube liest
Sehr interessiert und höchst umfassend fragten die jungen Leute nach und erhielten Informationen über seine schöne Kindheit, dann das Rauchen ab 12, das Kiffen ab 16 und den Konsum von Speed und LSD ab 18. Heroin habe er aber zum Glück nie genommen. Er berichtete auch über die später gestörten Beziehungen innerhalb der damaligen Familie, wie er mit seiner Labilität im Alltag zurecht kommt, dass es bei ihm keine Filmrisse gegeben hat und dass er Kontakte zu ehemaligen Freunden pflegt. Gefährlich gegenüber anderen sei er nicht gewesen, Stimmen habe er 2001 auch von außen gehört. Dass es auch lustig gewesen ist, gestand er selbstbewusst ein wie auch seine Verliebtheit in die Manie. Udo Lindenberg schätze er sehr. Seine Begeisterung für Marius Müller-Westernhagen, Xavier Naidoo und Herbert Grönemeyer sehe er heute mit großer Distanz. 2011 hatte er seine siebente Psychose. Drogen nimmt er seit elf Jahren nicht mehr. Er hat eine Selbsthilfegruppe geschaffen. Mit Lesungen wie diese möchte er aufklären und auch zeigen, dass ein normales Leben möglich ist.
Hans Jörg Rickert, Koordinator des RTSDP und Initiator der Veranstaltung, dankte Oberstudiendirektor Matthias Ramm für die sehr gute Kooperation in Sachen Prävention an der Nordseeschule und Henning Taube für seine Bereitschaft, erneut gekommen zu sein. Die jungen Leute ermunterte er, Herausforderungen anzunehmen, Situationen der Anspannung durchzustehen und Phasen der Entspannung zu genießen. Das ist machbar, aber bitte ohne Drogen!
Die Kosten der Veranstaltung trägt die Gemeinde St. Peter-Ording mit finanzieller Unterstützung durch den Kreis Nordfriesland und den Förderverein der Schule. Prävention zum Nulltarif gibt es nicht. Aber Prävention auf diese Art ist wichtig und auch richtig.