Dünen-Therme wird zum Rutschenparadies
02. Oktober 2013, Hans Jörg Rickert (hjr)
Voller Spannung hatten der Abteilungsleiter für den Fachbereich „Dünen-Therme“ Georg Römer und der technische Leiter Nils Koch von der Tourismus-Zentrale (TZ) St. Peter-Ording mit ihrem Team auf diesen Tag gewartet. Seit gestern prüften Dipl.-SportIng. Benjamin Sperlich und Dipl.-Ing. Jürgen Storch vom TÜV Thüringen die im 16 m hohen Rutschenturm vor der Inbetriebnahme stehende befindliche Reifenrutsche in knalligem Orange und die leuchtend gelbe spektakuläre Turborutsche mit Raketenstartgefühl bei einer maximalen Beschleunigung von 2,6 G. Das entspricht einem Beschleunigungsfaktor von 25 m/sec⊃2; oder der im freien Fall nach einer Sekunde erreichten Geschwindigkeit ca. 90 km/h. Auch der Geschäftsführer Jochen Bohnet von der mit dem Rutschenbau beauftragten Fachfirma Hartwigsen aus Jettingen (Landkreis Böblingen/BW), am Rande des Nordschwarzwaldes bei Nagold gelegen, wartete bei aller Überzeugung von qualitativ hochwertig geleisteter Arbeit seines Teams gespannt auf das Ergebnis der Abnahme.
Am Anfang stand die Grobabnahme der Außenkonstruktion mit den Pylonen, den Aufhängungen, Verbindungen und Verschraubungen. Die Verantwortung dafür ist groß, vergleichbar der für eine Achterbahn. Das teilweise starre Rutschensystem vibriert leicht. Schneelast und Wind tragen ihren Teil dazu bei. „Deswegen muss jede Schraube fest sein, alle Muttern gekontert“, so Benjamin Sperlich beim Außenrundgang mit geschärftem Blick, das Dokumentationsprotokoll immer dabei. Seit vier Jahren ist der 28jährige als Rutschenprüfer für den TÜV in Deutschland und Europa, unter anderem Finnland, Polen, Frankreich, Österreich und Italien unterwegs.
Daran schloss sich zunächst die Trockenabnahme der beiden Rutschen an. Für die Reifenrutsche mit 91,22 m Länge war das durch TÜV-Gerätesicherheitsprüfer Storch, den 64jährigen „Altmeister“, schon geschehen. Sperlich machte sich nun für den Trockendurchgang durch die Turborutsche fertig. Angeseilt, mit Knieschützern und Stift versehen, stieg er, mit den Augen überall, in den 70° Fallschacht und kroch dann abgeschnallt nach den ersten Abseilmetern auf Knien mit Rundumblick durch das insgesamt 41,55 m lange Rutschenrohr mit noch 10 m Auslauf am Ende. Den siebzehn Fugen galt dabei sein besonderes Augenmerk, denn die Kanten darf man wegen sonst möglichen Verletzungsrisikos überhaupt nicht spüren. Man hörte es durch ihn im Rohr leicht qietschen und rubbeln. „Die Fugen erkennt man nicht“, so sagte er ganz leise im Selbstgespräch. „Da bin ich beeindruckt!“
Mit seinem Kollegen Jürgen Storch tauschte er sich danach aus und machte sich an die schriftliche Dokumentation. Der Nassdurchgang bei simuliertem Rutschenbetrieb mit Rutschversuchen und Beschleunigungsmessungen einschließlich Überprüfung der Elektronik und Sicherheitstechnik – Ampelregelung – sollte sich in Kürze anschließen. Jürgen Storch konnte Jochen Bohnet immerhin schon mal mitteilen: „Sonst siehts gut aus.“ Dessen kurzer Kommentar: „Das muss ja auch so sein!“
Die Vorbereitungen liefen an. „Wasser marsch!“ hieß es. Georg Römer, Nils Koch und weitere Mitarbeiter der TZ, unter ihnen auch Christina Bratz machten sich in Badebekleidung für die Rutschversuche bereit. Die Reinigung vom Bauschmutz in den Ausläufen gemäß dem Sicherheitsgebot der drei „S“ – Sicherheit, Sauberkeit, Service – war vorweggegangen. Es rauschte nun im Reifenrutschenrohr und im Auslaufkanal schwoll das Wasser an. Blaue treckergroße Reifen und ein roter Zweierreifen lagen bereit. Das mittelschwere Rutschenspektakel konnte beginnen. Begeistert waren nicht nur die Testpersonen, auch den Handwerkern machte das Zuschauen sichtlich Spaß. Das war Abwechslung pur beim Arbeitsalltag so kurz vor der Mittagspause.
Georg Römer freute sich nun auf den Turborutschentest danach, Schwierigkeitsgrad schwer. Nicht nur für ihn war es klar, auch hier als Rutschentester dabei zu sein. Schließlich hatte er es der TZ bei den Planungen mit „eingebrockt“. Was nicht nur ihm bevorstand, wusste er seit den Testungen vor eineinhalb Jahren im Europabad in Karlsruhe. Sein Statement vorweg: „In vier bis fünf Sekunden ist man unten. Ein bisschen Adrenalin ist schon in der Blutbahn. Ich finde es toll, dass es dieses sportive Element in unserer Dünen-Therme gibt.“
Mit dem Einstieg wird der Rücken befeuchtet. Wegen der Reibungshitze würde sonst die Haut verbrennen. Nach dem Knopfdruck heißt es Arme in Kreuzstellung mit den Händen nach oben über der Brust anlegen. Schon öffnet sich unter den Füßen eine Klappe und die Talfahrt beginnt im 70°-Winkel. Nach nicht einmal einer Sekunde saust man durchs Sichtrohr und rast in einer großen Rechtskurve in den Auslaufkanal und wird durch das dort befindliche Wasser gebremst.
Nils Koch wurde nach den ersten Starts mit einem Beschleunigungsmessgerät ausgestattet. Dieses gibt die Daten direkt an Sperlichs Computer. Der Spitzenwert von 2,6 G wird gemessen und sein Peak ist auf der Graphik des Rechners deutlich zu sehen. Das Messergebnis ist excellent. Natürlich hatte Benjamin Sperlich die Turborutsche auch selbst getestet. Auf die Frage „Wie wars?“ lautete sein Kommentar: „Wunderbar, ganz ausgezeichnet! Harmonischer Rutschverlauf! Keine Bedenken!“ Und ein persönliches „Super!“ hinterher ließ besonders Jochen Bohnert strahlen.
Die TÜV Prüfer waren nach dieser Gesichts-, Maß- und Plankontrolle und den erfolgreichen positiven Rutschentests selbst beeindruckt, so dass die Inbetriebnahme nach den immerhin noch umfangreichen anstehenden Restarbeiten am Montag oder Dienstag erfolgen kann. Beide wiesen aber nach dieser „Momentaufnahme“ noch darauf hin, den Betrieb in der Eingangsphase zu begleiten und zu überprüfen. Das ist für alle Beteiligten mehr als selbstverständlich, denn „Sicherheit ist oberstes Gebot!“
Ob draußen, ob drinnen – an der Erweiterung und Modernisierung der Dünen-Therme St. Peter-Ording wird weiter gearbeitet. Bis Sommer 2014 ist noch viel zu tun. Die Wildwasserbahn aber soll schon Ende dieses Jahres in Betrieb gehen können. Mit der Farbe Blau kommt dann Kontrast zu dem leuchtenden Gelb und dem knalligen Orange im und am Rutschenturm.- Mit den beiden Rutschen hat die Attraktivität des familienfreundlichen Freizeit- und Erlebnisbades in der Dünen-Therme nun weiter und erheblich zugenommen. Das Nationalpark-Haus sowie die Sauna Umkleide sind schon länger fertig, und im Bereich des Erlebnisbades ist zusätzlicher Komfort geschaffen worden. Und der Blick auf den Strandbereich von Arche Noah und Seebrücke bis über den Pfahlbau Silbermöve hinaus ist ein zusätzliches Highlight fürs Auge.
Während der gesamten Bauphase war und ist der Besuch weiterhin gewährleistet. Zutritt erlangen die Gäste durch die inzwischen vollständig erneuerte sehr einladende Eingangshalle mit größter Funktionalität und ansprechender Ästhetik. Dass Modernisierung und Erweiterung der Dünen-Therme seit einem Jahr bei laufender Nutzung durch die Gäste möglich sind, das ist das Geheimnis von Dipl.-Ing. Roland Voigt und seinem Team des Architekten-Contors (AC) Itzehoe. Es ist Ideengeber und kreativer Kopf dieser Gesamtbaumaßnahme im Kostenumfang von ca. 11 Mio Euro. Dipl.-Ing. Frank Hüning von AC hat die Bauleitung vor Ort.