Ording-Süd: Pfahlbau "54°Nord"

Wahrzeichen St. Peter-Ordings sind die Pfahlbauten

Pfahlbauten – überall auf der Welt sind sie etwas Besonderes. Sie stehen in exponierter Lage, an einem See, im Flussdelta, am Meer. Sie drücken den Willen des Menschen aus, die widrige Natur zu überlisten, zu meistern. Im weiten Wattenmeer stehen sie so hoch über der Sandbank, dass die hohen Flutwellen sie nicht erreichen können. Menschen, Hab und Gut sind sicher. In St. Peter-Ording stehen sie für Stranderlebnis, Wattenmeer, Badesicherheit, Gaumenfreuden, Entspannen, Filmkulisse

Am Badestrand vom Bad und Ording war es ihre erste Aufgabe, die Badekarren abzulösen. Sie dienten als Umkleidekabinen. Um sie nicht ständig auf- und abbauen zu müssen, stellte man sie auf Pfähle, damit die Spring- und Sommerfluten sie nicht beschädigen konnten. Das reichte auch für die übrigen normalen Fluten. Doch stärkeren Sturmfluten und Eisgang waren sie nicht gewachsen.
Aus schmerzlicher Erfahrung wurde man klug. Man lernte die Dicke und Höhe der Pfähle so zu verändern, dass sie auch diesen Gefahren standhielten. So brachte man zuerst auch schrägstehende Pfähle an, die sowohl zur Stabilität als auch zur Abwehr von Eisschollen beitragen sollten.
In Ording fuhr man mit dem Badekarren auf die Sandbank und von dort ins Wasser. Schon 1905 zog man sich in einem Pavillon auf niedrigen Pfählen um.

Auf der einsamen Sandbank, unter heißer Sonne wollten auch unsere Urgroßmütter oder Großmütter nicht auf Erfrischungen verzichten und unsere Urgroßväter oder Großväter bestanden darauf, sich vor Erkältungen und mieser Laune mit „Gegengift“ (Rum, Schnaps und anderes mehr) zu schützen. Man stelle sich vor, vom Hotel im Bad aus durch die Dünen und den noch niedrigen Kiefernwald bis zum 1911 errichtetem Kinderheim Köhlbrand zu spazieren. Männer mit Strohhut und Sommeranzug, die Frauen mit langen Röcken, Bluse und Sonnenhut. Dann schritt man auf die schier endlos erscheinende Sandbank hinunter und war froh, nicht mehr all zu lange durch den losen, heißen Sand laufen zu müssen, denn die „Giftbude“ wartete schon mit Erfrischungen und „Belohnungen“ auf die Strandwanderer. Weit und breit nichts anderes ringsherum zu sehen, als Sand, in der Ferne Wasser, Dünen und einige vom Wind gebeugte Kiefern, wenige andere Gäste. Eine Idylle, die sich schnell als Geheimtipp herumsprach.
1911 wurde die erste „Giftbude“ (Erfrischungshalle) auf der Sandbank vor Ording errichtet, Die Bezeichnung Giftbude bezieht sich auf das althochdeutsche Wort gift (Gabe, Geben), das sich auch im englischen gift (Geschenk) erhalten hat.). Schon bald rankten sich Geschichten, Lieder und Grüße auf Postkarten um diesen legendären, seltenen Pfahlbau. Auch damals wusste man zu feiern und zu genießen.
Um den Wünschen der Gäste gerecht zu werden, errichtete man in den Folgejahren Badekabinen als Pfahlbauten im Bad, dann mit zunehmender Vermietung auch am Strand von Böhl und am Südstrand/Dorf. Darin oder in einem Extra-Pfahlbau versorgte man die Gäste. Im Bad entstand so der Vorläufer zur heutigen Arche Noah, allerdings noch auf sehr niedrigen Pfählen. Die Fluten holten sich denn auch ihren Teil der Pfahlbauten.

Wer vor hundert Jahren seine Ferien in St. Peter-Ording verbringen wollte, konnte mit der Bahn bis Garding fahren, ließ sein Gepäck in eine Kutsche laden und ließ sich nach Sankt Peter – das heutige Dorf – fahren. Von dort befuhr die Kutsche die neue Chaussee, die ins Bad und weiter bis Ording führte.
Das erste Hotel, das „Strandhotel“ – heute „luv und Lee“, wurde 1877 in den Dünen zwischen den Kirchspielen St. Peter und Ording gebaut. Der schönste Strand lag direkt vor dem Hotel – heute Buhne und Deich. Erst allmählich entwickelte sich rund um das Hotel der Ortsteil Bad. 1895 kam der erste Führer für das Nordseebad Sanct Peter und Ording heraus. 1909 baute man eine Chaussee vom Dorf ins Bad. Zwei Jahre später wurde das Bad auch mit Ording verbunden.
Gebadet wurde direkt vor den Hotels und Pensionen etwa in Höhe des heutigen Deiches. Man lag in den Dünen und bei Flut konnte man in dem Priel baden. Davor lag eine Sandbank, auf die man bei Flut mit dem Boot übersetzten konnte.

An fünf Badestellen findet man sie: in Böhl, in Süd (Dorf), im Bad, in Ording-Süd und in Ording-Nord.

Es sind ganz besondere 'Service-Stationen'.
Zu ihnen gehören nämlich jeweils ein Restaurant ( in Böhl, in Süd/Dorf, im Bad, in Ording-Süd und Ording-Nord),
eine Badekabine (Badeaufsicht und DLRG mit Funkgerät und Rettungsboot), eine öffentliche Toilette und viele Strandkorbpodeste.

Wie hoch das Wasser bei den Sturmfluten stieg, kann man an den Flutpfählen, die an den Strandüberfahrten stehen, genau ablesen.


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100 Jahre Pfahlbauten