35 Jahre AA und Al-Anon in St. Peter-Ording
Angefangen hatte es im ersten Jahr an einem Küchentisch. Dann wechselte man in kirchliche Räume und hält seit 26 Jahren nun seine Meetings wöchentlich jeweils donnerstags im Ev. Gemeindezentrum St. Peter-Ording ab. Pastorin Regine Boysen beglückwünschte die Anonymen Alkoholiker (AA) und die Al-Anon Familiengruppen beim Informationsmeeting am Nachmittag, sprach von einer „guten und segensreichen Zusammenarbeit über 34 Jahre“ und bezeichnete das Gemeindezentrum als einen „verlässlichen und geschützten Anlaufraum“. Die „unabdingbare Voraussetzung der Anonymität“ ist hier gegeben und wird bei parallel stattfindenden anderen Veranstaltungen beachtet. Gerne habe man AA und Al-Anon im Hause, freue sich auf weitere Jahre und wünschte „viel Kraft und Gottes reichen Segen“.
Begonnen hatte die öffentliche Informationsveranstaltung im vollen Gemeindesaal mit einem gemeinsamen Frühstück und anschließendem „offenem Meeting“ zum Thema „Trockenheit allein genügt nicht“. Thema des Tages war „Freude am Leben durch Trockenheit und in zufriedener Nüchternheit“. Erster Schritt auf dem Wege dahin ist für den Alkoholiker wie auch für die Angehörigen das Eingeständnis der Machtlosigkeit gegenüber dem Alkohol und die Tatsache, das Leben nicht mehr meistern zu können. Wie sie das heute machen, darüber berichteten Alkoholiker, Angehörige und erwachsene Kinder.
Deutlich wurde in allen Berichten am Nachmittag, dass Alkoholismus eine Familienkrankheit ist. An jedem alkoholkranken Menschen hängen fünf weitere. Sie leiden mit. Das gilt besonders für Kinder. Für diese gibt es Alateen, eine Gemeinschaft von Jugendlichen in Al-Anon zwischen etwa zehn bis zwölf und zwanzig Jahren, deren Leben durch das Trinken eines anderen Menschen beeinträchtigt wird.
Wie stark das eigene Verhalten durch seine alkoholkranke Mutter bis ins Erwachsenenleben hinein belastet ist, darüber berichtete sehr anschaulich ein erwachsenes Kind. Ein Al-Anon-Mitglied sagte: „Al-Anon hat mir das Leben gerettet.“ Ein anderes: „Al-Anon ist ein Ort, wo man 10 Jahre jünger sein kann“. Das bringt zum Ausdruck, welche Bedeutung gerade die Familiengruppen haben. Und ein schon lange trockenes AA-Mitglied brachte es für sich so auf den Punkt: „Für mich sind die wöchentlichen Meetings wichtig. Ich lasse mich da fallen, mache innere Inventur und bearbeite meine geistigen Rückfälle.“
Die Tatsache, dass diejenigen, die in eine AA- bzw. Al-Anon-Selbsthilfegruppe gehen, stabiler und zufriedener sind, zeigt auf, wie wichtig diese Meetings für alle Betroffenen sind. In Deutschland gibt es dieses segensreiche Angebot heute in über 2500 Gruppen.
Suchtberatung hat einen hohen Stellenwert, aber „sie hängt hinterher“, so Ronald Siems von der Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkranke des Diakonischen Werkes in Husum mit Nebenstelle in St. Peter-Ording in seinem Grußwort. Er griff das Tagesthema auf. Trockenheit sei der Ausstieg aus dem Alkoholkonsum, Nüchternheit das Erwachsensein mit der Übernahme von Verantwortung für sich selbst. Die Trockenheit darf nicht verlassen werden. Das sei ein Prozess mit einem laufenden Neustart. So wünschte er „stabile und zufriedene 24 Stunden.“
Mit Diakonin Streubier hatte man den Nachmittag mit einer besinnlichen Stunde in der St. Peter-Kirche eingeleitet. Gemeinschaft und Verbundenheit sowie gegenseitige Aufmerksamkeit und Annahme waren kennzeichnend für den Tag. Die jeweiligen Präambeln der Selbsthilfegruppen machten das jeweils deutlich wie auch das gemeinsam gesprochene Gelassenheitsgebet am Ende mit dem sich anschließenden Wunsch: „Schöne 24 Stunden, kommt wieder, es funktioniert.“
Hans Jörg Rickert, 17. März 2012