Zwei singende Komödianten und ein Klavierspieler
„Alles wegn de Leut“ - Berliner Abend im Dünenhus
16. Nov. 2013, Hans Jörg Rickert (hjr)

Unter „Walter Kollo trifft Otto Reutter“ waren sie für den 30. Oktober abends im Dünen-Hus angekündigt: Eckard Kloth aus St. Peter-Ording sowie Rainer Zeikau und Pianist Jan Wilhelm Söth, beide aus Lunden. Für das Publikum sollte es ein vergnüglicher und für die drei über 70-Jährigen ein lang andauernder Abend werden. Aber diese hatten ebenfalls ihren Spaß daran. Theater und Komödiantentum lebt eben vom und mit dem Publikum.

Dreigeteilt war der Abend. Erst präsentierte Eckard Kloth Couplets von Otto Reutter, danach spielte und sang Rainer Zeikau Operettenlieder, beide jeweils distinguiert begleitet von Jan Wilhelm Söth am Piano bzw. Elektroklavier, um die Bühnenshow anschließend als Trio zu beenden. Hier zeigten sich die beiden Sänger in Frack und Zylinder – man erkannte sie kaum wieder, so gekonnt traten sie auf.

Es war der 25. Otto Reutter-Abend, dieses Mal aber, wie einmal im Jahr üblich, als so genannter „Berliner Abend“ gestaltet, eben mit Couplets und Operettenmelodien. Mit dem traditionellen Eröffnungslied Otto Reutters „Alles wegn de Leut“ begann Kloth diesen besonderen Gesangsabend – und gewann auf Anhieb das Publikum. Wer hört sie auch nicht gern, diese Melodien der 20iger Jahre!

Couplets – aus dem Französischen: „Zeilenpaar“ – bezeichnen in der Musik ein mehrstrophiges witzig zweideutiges, politisches oder satirisches Lied mit einem einprägsamen Refrain. Otto Reutter, 1870 in Gardelegen (Altmark) geboren und 1931 in Düsseldorf gestorben, war Sänger und Komiker und zugleich Verfasser von Liedern, die er selbst zum Besten gab. Er war Sohn eines Kaufmanns und hieß eigentlich Friedrich Otto August Pfützenreuter. Sein Ziel war es, Komiker zu werden, was ihm als Meister des Berliner Couplets hervorragend gelungen ist. Seit 1896 in Berlin, trat er um die Jahrhunderwende erstmalig im „Wintergarten“ auf. Über 1000 Couplets mit Bezug auf die damaligen Gegebenheiten entstammen seiner Feder. Manche seiner Titel sind im Zitatenschatz geflügelter Worte zu finden, z.B. „In fünfzig Jahren ist alles vorbei“ oder „Nehm‘ Se nen Alten“.

Hier war Kloth in seinem Sängerelement. Witzig, temperamentvoll, flapsig und auch schnodderig – wie könnte es anders sein! - moderierte er durch das Programm und sang sich in die Herzen des Publikums mit eben „Nehm‘ Se nen Alten“ oder dem „gewissenhaften Maurer“ wie auch „Mit der Uhr in der Hand“ oder „Reizend sind die Frauen“. Gesanglich aber toppte ihn dann Rainer Zeikau mit seinem Operetten-Medley. In Frack und Zylinder schlüpfte der in seine Rollen und sang „Die Männer sind alle Verbrecher - Immer an der Wand lang - In Schönefeld im Monat Mai - Was eine Frau im Frühling träumt“ bis zu „So lang noch Untern Linden“. Er tanzte, gestikulierte, sang und spielte, als wäre er im besten Mannesalter und die Frauen flögen nur so auf ihn!



Höchst amüsant wurde es dann auch noch im dritten Teil mit beiden als Duo und weiterhin bescheiden im Hintergrund am Klavier, und doch alles im Griff habend, Jan Wilhelm Söth. Mit dem Lied „An der Krummen Lanke“ und dem Altberliner Couplet „Holz, Koks, Kien/ Wir kommen aus Berlin/ Ein jeder weiß Bescheid/ Berliner sind gescheit“ sowie Melodien aus Operetten wie „Ja, das Studium der Weiber ist schwer“und drei Solo-Zugaben endete dieses musikalische Diner mit „Dunkelrote Rosen“. Alle Damen waren darob hoch erfreut.-
Was aber wäre gewesen, hätten Kloth und Co. echte Rosen verteilt?- Vielleicht beim nächsten „Berliner Abend“ in 2014? - Man darf sich auch ohne Rosen schon darauf freuen. Wirklich empfehlenswert!

Alles wegn de Leut

Wir sind, glaub ich, nur auf der Welt wegn de Leut.
Wir tun oft, was uns nicht gefällt, wegn de Leut.
Wir richten uns nie nach dem eignen Behagn,
stets denkn wir: Was werdn wohl die Leute dazu sagn?
Wir gehn auf den Ball, üben Wohltätigkeit –
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.

Wir gebn Soireen sehr fein wegn de Leut.
Wir laden die Leute uns ein wegn de Leut.
Wir kriegen Besuche von Hinz und von Kunz,
selbst wenn wir bei uns sind, da sind wir außer uns.
Wir kommn nie zu uns, dazu fehlt uns die Zeit -
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.

Wir schwärmn für die Kunstgalerie wegn de Leut.
Wir gehn in die Philharmonie wegn de Leut.
Wir schwärmen für Wagner - s ist oft Heuchelei.
Gehn in die "Nibelungen" und schlafen ein dabei.
Im Winter in Berlin und im Sommer in Bayreuth -
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.

Wir gehn voller Schick, voller Schneid wegn de Leut.
Wir tragen ein Talmigeschmeid wegn de Leut.
Zu Haus isst man Hering, der kostt nicht viel Geld,
doch gehn wir mal aus, werden Austern stolz bestellt.
Dann sagn wir noch blasiert: "Schon wieder Austern heut?"
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.

Wir fahrn auf dem Automobil wegn de Leut.
Wir fahrn zu der "Woche" nach Kiel wegn de Leut.
Im Sommer, da wärs auch zu Hause recht schön,
doch was würdn dann die Leute sagen - ins Bad muss man gehn.
Da gehn wir sogar baden - nicht wegn der Reinlichkeit -
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.

Beim Trauerfall heucheln wir Leid wegn de Leut.
Da tragn wir ein ganz schwarzes Kleid wegn de Leut.
Fragt jemand: "Wie gehts?", sagt man: "Gut! Danke sehr!"
Denn wenn man sagt: "Schlecht!", na, dann freut sich doch der.
Doch wenn man sagt: "Gut!", ja dann platzt er vor Neid -
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.

Die Fraun gehen immer modern wegn de Leut.
Wenns Mode ist, schnürn sie sich gern wegn de Leut.
Ist die Frau auch so dick, sie muss rein in die Kluft.
Dann sitzt sie da beim Essen, und da kriegt sie keine Luft.
Unds Essen rutscht nicht runter, zu eng ist das Kleid -
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.

Wir sind in Gesellschaft exakt wegn de Leut.
Da sehn wir auf Sitte und Takt wegn de Leut.
Was andres ists, was im Verborgenen geschieht,
da könnn wir alles machen, sobald es keiner sieht.
Es handelt sich ja gar nicht um Anständigkeit -
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.

Man hastet nach Titeln und Ruhm wegn de Leut.
Man hängt einen Orden sich um wegn de Leut.
Man fährt nach der Schweiz, kraxelt Berge hinauf,
schreibt stolz auf Ansichtskartn: "Hier kam noch keiner rauf."
Dann purzelt man runter, liegt unten und schreit -
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.

Man schränkt in der Liebe sich ein wegn de Leut.
S Herumpoussiern darf gar nicht sein wegn de Leut.
Kaum kennt man das Mädchen, muss man zum Altar,
und dann tut man glücklich - und s ist doch gar nicht wahr.
Und man kriegt drei, vier Kinder in ganz kurzer Zeit -
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.

Nun sahn Sie, was alles geschieht wegn de Leut.
Schaut mich an - auch ich sing dies Lied wegn de Leut.
Ich sing doch den Quatsch nicht zu meinem Vergnügen.
Mich würden Sie nicht zu mir in die Vorstellung rein kriegn.
Sing auch nicht wegn dem Geld, nein, das täte mir leid -
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.

Otto Reutter