Spuren sind Wegweiser zu Entdeckungen
Hans Jörg Rickert, 14. Jan. 2012

Mit dem Vortrag „Spurensuche – Erkenntnisse zur Architektur in Nordfriesland“ startete das Museum der Landschaft Eiderstedt die Reihe seiner Veranstaltungen in diesem Jahr. Ellen Bauer aus Tetenbüll, Architektin und Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft Baupflege (IGB) Nordfriesland/Dithmarschen e.V., nahm die vielen interessierten und zum Teil sehr fachkundigen Zuhörer anhand von 50 Bildern mit auf eine spannende Reise durch Nordfriesland, die in St. Peter-Ording begann und endete. Unterstützt wurde sie dabei von Kerstin Sprenger aus Witzwort, ebenfalls im Vorstand der IGB aktiv.

Hans-Georg Hostrup aus Tating, Vorsitzender, wies in seiner Begrüßung auf das Ziel der IGB hin, nämlich „Einfluss auf die Erhaltung des Bauerbes und auf das regionale Bauen zu nehmen.“ Er verzichtete auf weitergehende kritische Bemerkungen zum seit Jahresbeginn geltenden neuen Denkmalschutzgesetz in Schleswig-Holstein und beließ es bei dem Satz: „Die Denkmalpflege steht mit dem Rücken an der Wand.“ Besonders deswegen gelte das Augenmerk der historischen Bausubstanz und vor allem ihrer Rettung.

An der Spurensuche, so begann dann Ellen Bauer, sei wichtig, dass „mehr als nur Spuren übrig bleiben“. Für die Bauforschung sind sie die „Wegweiser zu Entdeckungen“. Es sei von Bedeutung, jene „zu erkennen und darauf zu reagieren“.- Vom Ensemble Diakonatshaus im Preestergang mit der St. Peter-Kirche und dem Klockstapel über den Roten Haubarg bei Witzwort ausgehend sensibilisierte sie den Blick der Zuhörer für baugeschichtliche Spuren aus 800 Jahren in mehreren Themenschwerpunkten.
Als Beispiele dienten u.a. für den Sakralbau die Kirche Olderup (12. Jh.) als Typus der Irischen Westländischen Kirchen und für den Profanbau das bäuerliche Gebäude Haus Axen (17. Jh.) in Risum-Lindholm als typisch uthländisch. Das Mauerwerk mit seinen Steinen und dem verwendeten Mörtel, die Entlastungsbögen über den Fenstern zur Wahrung der Stabilität des Gebäudes (Hoyerswort) sowie Treppengiebelhäuser (Großstraße 18 in Husum) geben Hinweise zur Baukultur. Bei der Sanierung des Roten Haubargs entdeckte man Widersprüche und gewann den einen oder anderen Blick hinter die Fassade. Dabei sei Sanieren im Denkmalbestand wegen fehlender Literatur „learning by doing“ im Vergleich mit anderen Objekten. Auch die Innenräume mit Schapp, Alkoven und Fliesen sowie den Türen mit ihren Beschlägen gäben wertvolle Hinweise auf die Baugeschichte.
An St. Laurentius in Tönning sind Schäden und Fehler beim Sanieren des Mauerwerks offenbar, indem durch die Verwendung von hartem, festem Zementmörtel Mauerwerksfraß die Folge ist, der bei Muschelkalkmörtel aufgrund seiner Eigenschaften im Zusammenwirken mit dem Mauerwerk nicht einträte.- Eiderstedt sei voll von verborgener Bausubstanz. Um 1600 gab es in Tönning 137 Neubürger, die Wohnraum brauchten. Aus dieser Zeit stammt das Haus Neustraße 20, ein Haus von enormer baugeschichtlicher Bedeutung, das trotz getätigter Investitionen „als Denkmal so vor sich hindümpele“. Ellen Bauer sei unverständlich, wie „mit Bauten umgegangen wird.“ Ein Beispiel dafür sei auch das Alte Hospital in Tönning: Die Stadt verkaufte das Gebäude wenige Jahre nach der Sanierung trotz der investierten zweckgebundenen Fördergelder zu einem billigen Preis an einen privaten Käufer.

Bei der Moderne führte Ellen Bauer anhand von Beispielen in St. Peter-Ording Fehlentwicklungen an, sparte aber auch nicht mit Anerkennung für den Gesamtkomplex „DünenTherme“, die sich in die Landschaft einfüge, nahm das „Strandgut“ davon allerdings aus, das zwar multifunktional angelegt, aber für ein Hotel liebenswürdiger gestaltet hätte werden können. Das Husumer Rathaus und das Multimar Wattforum fanden ihre Zustimmung. Am Noldehaus in Seebüll (1937) sind Elemente der Bauhausarchitektur erkennbar. Nolde hat während der Bauzeit mit Mies van der Rohe, Direktor des Bauhauses in Dessau von 1930 bis zur Schließung 1932, brieflich verkehrt. Mit dessen Aussage, „Architektur sei nicht reine Zweckerfüllung, Gestaltungsfragen seien außerordentlich wichtig“, schloss Ellen Bauer ihren inhaltsreichen, anregenden und höchst informativen Vortrag.

Peter Brancke als Vorsitzender des Vereins KulturTreff dankte ihr herzlich und leitete in eine Diskussionsrunde über. Deutlich wurde dabei, dass man nicht der Investorenarchitektur anheim fallen dürfe und sich gegen Schäden zu wehren verpflichtet sei. Fachkompetenz und Bürger seien zu beteiligen. „Unsere Vorfahren haben in ihrer Zeit gebaut. Sie haben gegenüber heute auch die Proportionen besser gepackt.“ so ein Diskussionsteilnehmer.
Eingehend auf die geplanten bzw. in Arbeit befindlichen Baumaßnahmen wie ein Objekt in Böhl, die Strandgaststätten mit ihren „Überdimensionen“ und den Hotelbau an der Stelle des abgerissenen Hotels „Ordinger Hof“, wurde deutlich, dass im Bauausschuss wesentlich nur baurechtliche Fragen zu beachten und vorzuentscheiden sind. Eine Einflussnahme auf die Möglichkeit der Gestaltung sei nicht gegeben. Angeregt wurde, hier verstärkt die Möglichkeiten des Wettbewerbswesens zu nutzen; dann entstünde auch Niveau. Gerade für einen Tourismusort gelte: „Wer gute Architektur macht, liegt ganz weit vorn!“