Picaro-Roman

Autor

La vida de Lazarillo de Tormes
y de sus fortunas y adversidades (1545)

Die Vida erzählt auf amüsante Art den Lebenslauf eines armen Knaben aus Kastilien von seiner Geburt an bis zum Seßhaftwerden.
In ursprünglich sieben Kapiteln (heute acht) schildert sie in der Ichform dessen Lehr- und Wanderjahre bei sieben verschiedenen Dienstherren (einem Blinden, einem Pfaffen, einem spanischen Hofaufwarter vom Adel, bei einem Mönch, bei einem Ablaßkrämer, einem Kaplan und einem Vogt bzw. Schergenhauptmann), bis es ihm schließlich gelingt, selbst ein offizielles Amt in königlichen Diensten zu bekleiden, nämlich als Ausschreier von Toledo, womit der Höhepunkt seines Glückes erreicht ist.


1. Der Picaro-Roman
Dies ist eine literarische Erzählgattung, die sich vom sog. "höfischen Roman" der Zeit absetzt.
Die Charakteristika des Picaro-Romans sind: 1. die Ichform der Erzählung,
2. das niedere Milieu seines Schauplatzes und seiner Handlung,
3. die kapitelweise Aneinanderreihung in sich geschlossener Episoden.

Ein "picarot" ist im Spanischen ein Schelm, ein Gauner, ein Betrüger oder jemand, der Spaß daran hat, die Gesellschaft herauszufordern.
In der Vida wird auf für die Zeit neuartige Weise ein bestimmtes Grundmuster vorgeführt: in sich geschlossene, aber verkettete Szenenbilder und Handlungsabläufe. Durch diese Verklammerung hebt sich der Lazarillo von der Volksbuchliteratur der Renaissance entschieden ab und wird zum Roman. Neu ist außerdem, dass nicht ein Idealheld vorgeführt wird, sondern ein aus sehr einfachen Verhältnissen stammender Müllerssohn, geboren auf einer Mühleninsel im Fluss Tormes bei Salamanca (deshalb der Name). Alle Kapitel beschreiben wirklichkeitsnah die Welt des damaligen Spanien mit seinen Mißständen wie z.B. das Bettlerelend, der korrupte Klerus, die schwierigen Lebensbedingungen des verarmten, stolzen Adels, das leicht zu blendende Volk sowie die Gegenwelt des Hofes, welcher literarisch und im wirklichen Leben der Epoche das Lebensideal darstellt.

2. Autor und Anliegen der Lebensbeschreibung

Der Autor des Lazarillo ist unbekannt. Aber er schreibt in einem Prolog, was sein eigentliches Anliegen der Erzählung ist. Er möchte zum einen mitteilen, wie es einem Menschen ergangen ist, dem so viel Unglück, Gefahr und Widerwärtigkeiten im Leben zugestoßen sind, dass er dennoch nicht gestrauchelt ist, sondern sich durchgebissen hat und noch lebt

Zum anderen möchte der Erzähler den Herren von Stande und Vermögen bzw. Besitzes beweisen, wie viel Ruhm eigentlich denen zuteil werden muss, die es aus eigener Kraft, und nicht aufgrund ihres Glückes (Vererbung u.a.m.) geschafft haben, sich im Leben "durchzubeißen"; und letztendlich etwas zu erreichen. Er will also klarmachen, dass die Reichen eigentlich nichts oder zumindest nicht viel dazu beigetragen haben, dass es ihnen so gut geht, und dass er es als größeren Wert erachtet, selber etwas geleistet zu haben.

Dank seines eigenen Aufbegehrens schafft es Lazarillo, sich an den Tisch der Reichen setzten zu können, und nicht wie sein Namensbruder aus der Bibel (Lazarus) hofft, dieses Lebensziel erst im Himmel zu verwirklichen. Lazarillo fügt sich nicht fromm und gottesfürchtig seinem Schicksal, sondern er erkennt, dass er nur überleben kann, wenn er sich mutig und listig dem Leben stellt.
Jeder seiner Dienstherren vermittelt ihm neue Erfahrungen, die er sich zunutze macht. So wird er langsam schlauer und schafft es auf amüsante Art und Weise, seine Dienstherren zu übertölpeln, sich ihnen bei Bedarf anzupassen oder sich geschickt aus den Schwierigkeiten zu retten. Auch wenn er manchmal dem Tod schon nahe ist, rappelt er sich immer wieder auf.