18. November 2012

Volkstrauertag Nov. 2012 SPO Bövergeest

Kranzniederlegung am Ehrenmal auf dem Friedhof Bövergeest
Hans Jörg Rickert (hjr), 19. Nov. 2012

Aus Anlass des Volkstrauertages 2012 hatten sich Bürgerinnen und Bürger, Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr sowie Abordnungen des Boßelvereins, des TSV und des Schützenvereins sowie des Ortsverbandes des Sozialverbandes Deutschland und Vertreter der Gemeinde St. Peter-Ording am Ehrenmal auf dem Friedhof Bövergeest zusammengefunden.

Bürgermeister Rainer Balsmeier stellte in seiner Ansprache anlässlich des Gedenkens an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft die Frage „Was wäre, wenn es diesen Tag nicht gäbe?“- In unserer Kultur würde etwas fehlen. Dieser Tag sei auch 67 Jahre nach Kriegsende ein Tag der Erinnerung und der Mahnung für den Frieden.

Die Abordnung des Musikzuges der Feuerwehr spielte wie jedes Jahr eingangs des Gedenkens das Sanctus – „Heilig, heilig ist der Herr“ – und „Ich hatt’ einen Kameraden“ während der Niederlegung der Kränze durch die örtlichen Vertreter.
Im anschließenden Gottesdienst in der Kirche St. Peter wandte sich Bürgervorsteher Boy Jöns der Kriegsopfer erinnernd an die Kirchengemeinde. Auch Pastorin Regine Boysen nahm in ihrer Predigt Bezug auf den Volkstrauertag.

Seit 1952 wird in Deutschland am Sonntag vor dem Ewigkeitssonntag der Toten der Kriege und der Opfer von Gewaltherrschaft gedacht. Nach dem ersten Weltkrieg 1919 gründete sich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Mit seinem Motto „Versöhnung über den Gräbern“ und der Pflege und Erhaltung der Kriegsgräber setzt er sich mahnend für die Erhaltung des Friedens ein. Sichtbares politisches Zeichen dafür ist jedes Jahr am Volkstrauertag die Kranzniederlegung in der Berliner Neuen Wache und die würdig gestaltete Feierstunde im Deutschen Bundestag mit Vertretern und Vertreterinnen aus Politik und Gesellschaft.

Dr. Gerd Frost

Vortrag Dr. Frost

Wofür starben sie?
Hans Jörg Rickert (hjr), 17. Nov. 2012

Dieser Frage mit dem Blick auf die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft aus der Kirchengemeinde St. Peter-Ording und Tating widmete sich Dr. Gerd Frost aus Felde in seinem Vortrag anlässlich des Volkstrauertages im Ev. Gemeindezentrum vor interessierten und fachkundigen Zuhörern. Er ist Jahrgang 1928, war als Jugendlicher im Krieg Flakhelfer und ist ehemaliger Verwaltungsjurist mit seit vielen Jahren Zweitwohnung in St. Peter-Ording. Sein sieben Jahre älterer Bruder verlor am 22. April 1945 als Soldat im Spreewald in der Nähe von Cottbus sein Leben.

Eingangs stellte Dr. Frost zu Beginn seines Vortrages klar, dass für ihn alle Menschen zu den Kriegsopfern gehören, die kriegsbedingt bzw. durch Gewaltherrschaft getötet worden oder ums Leben gekommen sind wie auch diejenigen, die zeitlebens unter den Kriegsfolgen gelitten haben bzw. noch leiden. Dazu zählen auch die Angehörigen von Kriegstoten. Bei aller Schwere dieser Opferlast sei es aber erforderlich, sich auf die Kriegstoten zu konzentrieren, „denn das Leben ist nach unserer Grundordnung der Güter höchstes.“

Seit Beginn der Befreiungskriege 1813 werden für die Toten der Kriege seitens der Staaten, Kommunal- und Kirchengemeinden oder von Verbänden Kriegermäler an Kriegsgräbern und auch solche nur symbolischer Art errichtet. So stehen überörtliche Gedenkstätten allerorten. Bekannt ist in Schleswig-Holstein das Marine Ehrenmal in Laboe an der Kieler Förde. In Berlin wurde erst jetzt im Oktober das Sinti- und Roma-Mahnmal eingeweiht. Örtliche Gedenkstätten und Kriegermäler befinden sich häufig in Kirchen oder auf Friedhöfen.

Das gilt auch für St. Peter-Ording und Tating. Die vorhandenen Kriegermäler beziehen sich auf den „Normalfall“, den gefallenen Soldaten. Denkmäler für die Opfer von Gewaltherrschaft gibt es hier nicht.
Die Gedächtnisstätte befindet sich in St. Peter-Dorf auf dem Friedhof Bövergeest.

St. Peter-Ording - Bövergeest Nov. 2012

An der Südseite der Außenmauer der St. Peter-Kirche befindet sich eine Gedenktafel mit den Namen der 37 im 1. Weltkrieg getöteten Soldaten der Gemeinde St. Peter.

Gedenktafel St. Peter-Kirche

Im Kirchenraum wird auf einer Tafel an der linken Wand an den am 25. Juni 1850 in der Schlacht bei Idstedt gefallenen Hinrich Heller erinnert.

Die Gedächtnisstätte für die Ordinger Kriegstoten der beiden Kriege ist das Ehrenmal nahe der Kreuzung Dreilanden/Waldstraße im Ordinger Wald. Insgesamt liegen dort 38 Natursteine mit Namen und Sterbejahr der 40 Getöteten. Ein großer Naturstein weist auf die Kriegsjahre 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945 kreuzartig hin.

In der St. Magnus-Kirche in Tating wird an die insgesamt 167 Kriegstoten in den vier Kriegen 1848-50, 1870/71, 1914-18 und 1939-45 an vier verschiedenen Stellen erinnert. Dazu gehören noch zwei unter Verschluss gehaltene „Gefallenenbücher“ für den 2. Weltkrieg. Im Hochdorfer Garten befindet sich ein Kriegermal mit der Inschrift „Ehret die Gefallenen und Vermissten“ mit den Jahreszahlen der beiden Weltkriege.

Außer diesem bildhaften Dauergedenken, führte Dr. Frost im weiteren aus, finden zu bestimmten Anlässen Gedenkfeiern statt. Der 1919 gegründete Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gab mit der Losung „Versöhnung über den Gräbern“ den Anstoß zur Einführung eines Volkstrauertages. Von der NS Diktatur wurde dieser 1934 umfunktioniert zum „Heldengedenktag“. Seit Ende des Krieges heißt er wieder Volkstrauertag und wurde 1952 vom Frühjahr auf den vorletzten Sonntag des Kirchenjahres gelegt. Gedacht wird jährlich an diesem Sonntag der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft mit einer Kranzniederlegung an den bekannten Gedächtnisstätten der Kommunalgemeinden. Es ist vielerorts üblich geworden, der Opfer auch in den Gottesdiensten der Kirchen zu gedenken.

In seinem Vortrag beleuchtete Dr. Frost bei der Klärung der Frage, wofür sie starben, unterschiedliche Aspekte. „Für“ bedeute dabei in unserem Sprachgebrauch so viel wie „im Interesse von“. Jeder Soldat aber werde nicht nur in den Krieg geschickt, sondern gleichzeitig möglicherweise auch in den Tod. In den Kriegermälern würde die Frage nach dem Sinn dieses „Opfertodes“ positiv beantwortet, oftmals für die 1914/18 Gefallenen mit dem Bibelvers „Niemand hat größere Liebe als die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde.“ Für die Kirche gab es nach der Lehre Luthers auch einen gerechten Krieg. In beiden Weltkriegen habe sie mit dieser Sichtweise an der Seite des Staates gestanden. Was die Einstellung der Opfer betrifft, werde sich diese nicht von der öffentlichen Meinung unterschieden haben. Ums Leben kommen wollten aber weder Zivilisten noch Soldaten. Das gelte erst recht für die Opfer von Kriegsverbrechen. Zu diesen gehörten auch die Toten der Bombenangriffe zur Vernichtung ganzer Städte.

In seiner Bewertung sah Frost eine Versuchung darin, „als Achtung vor den Opfern ... die in Kriegermälern bekundete Einstellung zu teilen.“ Aufgrund seiner Erfahrung und seines heutigen Wissens stelle er diese Ideale in Frage. Prüfstein sei für ihn das 5. Gebot. „Du sollst nicht töten.“ Dagegen verstoße gerade auch das Töten im Krieg. Beide Weltkriege haben den Irrsinn des Krieges offenbart. „Da die von und in Deutschland geführten Kriege sinnlos waren, sind auch ihre Opfer sinnlos“, so sein Fazit. Damit sei aber kein Urteil gesprochen über Einsätze der Bundeswehr im Ausland. Sie müssen anders gewertet werden.

Diese Erkenntnis der Sinnlosigkeit von Kriegen sollte uns bestärken, „von einer Welt ohne Waffengewalt und ohne Gewaltherrschaft zu träumen.“ Er möge den Satz: „Wer keine Träume hat, ist kein Realist.“ Damit schlug er dann den Bogen zur „Blumen- und Kerzenrevolution“ in der DDR, die vor nun mehr als zwanzig Jahren ohne Blutvergießen zur Vereinigung unseres geteilten Landes geführt hat.

In der sich anschließenden Diskussion war man sich wohl in einer nüchternen Betrachtungsweise gegenüber Krieg und Gewalt einig, aber keineswegs hinsichtlich der Bewertung der Opfer. Dass die Opfer aller Kriege sinnlos waren, sei eine problematische Aussage. Eingestanden worden sei in Kriegen auch für Werte. Es dürfe nicht vergessen werden, dieses auch würdigend zu betrachten. Frage werde dabei auch sein, wie man in Zukunft mit dem Gedenken , der Grab- und Gedenkkultur umgehen wolle. Ehrungen werden sich wohl zu Gedenkfeiern entwickeln. Spannend würde es dahingehend sicher 2014. Da wird dann der Schlacht von Düppel im Deutsch-Dänischen Krieg vor 150 Jahren gedacht.