Hundert Jahre Orgelbau in St. Peter
Generationen reichen sich die Hand

von Christoph Jensen

Im Vergleich zu anderen Gemeinden blickt St.Peter auf eine recht kurze, aber sehr bewegte Orgelbaugeschichte zurück. Mit der Lobback-Orgel steht nun schon das vierte Instrument innerhalb von hundert Jahren in der Kirche. Das scheint auf den ersten Blick recht ungewöhnlich, um nicht zu sagen extravagant. Wenn man diese Tatsache aber nicht als eine Abfolge von Einzelereignissen sondern als einen gewissermaßen evolutionären Prozeß betrachtet, so wird deutlich, dass jeder Schritt nötig war, um zu dem Instrument zu gelangen, dem heute unsere Aufmerksamkeit und Bewunderung gilt.

Begonnen hat alles 1895 mit dem Bau der ersten Orgel von der Firma Marcussen & Sohn, Apenrade. Diese Orgel wurde von dem Husumer Bürger Jacob Ketels und seiner Ehefrau Catharina Margaretha, geb. Eggers, aus Dankbarkeit gegenüber seiner alten Gemeinde geschenkt: "Die Liebe zu meiner alten Heimat, in der ich geboren, erzogen und eine Reihe von Jahren mein Brod genossen habe, noch mehr aber aus Pietät gegen meine Eltern u. Großeltern, die fast seit dem Anfange dieses Jahrhunderts dort gelebt und tätig gewesen sind, ließen mich diese Bestimmung in unserem Testament treffen. "(Jacob Ketels 1894, in einem Brief an den damaligen Pastor Sinn).

Schon damals bestand das Grundproblem, einen geeigneten Aufstellungsort für das Instrument zu finden. Da der Platz in der Kirche selbst für eine relativ kleine Orgel nicht reichte, wurde sogar erwogen, für die Orgel ein Seitenschiff zu errichten. Die Konstruktionspläne und Zeichnungen hierfür von dem Architekten J.W. Jensen aus Garding sind noch erhalten. Der Bau des Seitenschiffes wurde nicht verwirklicht, man entschloß sich, die Orgel doch in den Westen der Kirche zu setzen. Dazu mußte ein Teil der Balkendecke angehoben werden, damit genug Höhe entstand. Trotzdem mußte das Instrument vor den 1860 in die Kirche eingebauten Glockenstuhl gezwängt werden. Damit ragte sie sehr weit in den Raum hinein. Das erwies sich als Nachteil, sowohl in klanglicher wie in technischer Hinsicht.

Der folgende Umbau durch Detlef Kleuker versuchte dann die Empore auch für Chor und Gemeinde nutzbar zu machen und die Orgel klanglich aufzuhellen. Nachdem Marcussen die grundtönigen, einem romantischen Klangideal entsprechenden Klangfarben bevorzugte, setzte Kleuker helle dazu. Aber auch diese Orgel konnte den Anforderungen in vielerlei Hinsicht nicht standhalten, zumal diese auch ständig wuchsen.

Der nächste Schritt wurde mit dem Bau der Kemper-Orgel getan. Wieder wurde Substanz aus den Vorgängerorgeln übernommen, eigene hinzugesetzt und vor allem durch einen Neuentwurf von Empore und Prospekt ein anderer Akzent gesetzt. Allerdings blieb das Problem des Aufstellungsortes und des fehlenden Platzes bestehen. Bedingt durch die neue Werkanordnung von Hauptwerk und Rückpositiv mußte das Hauptwerk nun in das Ständerwerk des Glockenstuhls gezwängt werden. Das war so schlecht wie es sich anhört: die Orgel hatte keinen Raum zur Entfaltung, die ständigen Schwingungen der Glocken zogen das Orgelwerk in Mitleidenschaft, technisch war das Instrument problematisch, ganz abgesehen von der aufwendigen Empore, die den Raum optisch und akustisch erdrückte.

Die Entscheidung, den hölzernen Glockenturm, in dem die Glocken von St. Peter bis 1859 geläutet hatten, wiedererstehen zu lassen, stellte sich als die erste wirkliche Alternative zu dem 1895 projektierten Seitenschiff heraus. Schon damals hatte man im Grunde die Unvereinbarkeit von Glocken und Orgel auf so engem Raum erkannt. Wenn nun nicht die Orgel ein besonderes Haus (sprich Seitenschiff) bekam, so waren es nun die Glocken, die in ihr neues -altes- Domizil umzogen.

Damit waren die Voraussetzungen für den Orgelbau gegeben, wie sie in dieser Weise in St. Peter noch nie bestanden hatten:

Die Decke konnte bis an die Westwand heran angehoben und die Empore nach dem Ausbau des Glockenstuhls zurückgesetzt werden. Durch einen Mauerdurchbruch in die Vorhalle wurde zudem noch Platz für das Schwellwerk geschaffen. Es bereichert nun das Instrument klanglich in ganz besonderer Weise und eröffnet neue Möglichkeiten des Musizierens. Dadurch daß der Spieltisch wieder, wie schon bei Marcussen, an der Seite steht, wurde zusätzlich Raum gewonnen. Für den Organisten besteht zudem ein sehr guter Kontakt zum Geschehen im Kirchenraum.

Herrn Lobback und seinen Mitarbeitern ist es gelungen, aus der Summe von hundert Jahren Orgelbaugeschichte in St. Peter ein charakteristisches, unverwechselbares zeitgemäßes Instrument zu schaffen. In einfühlsamer Weise wurde geschaut, gehört, geprüft wie es vielleicht nur jemandem gegeben ist, der sich dem Orgelbau nach harmonikalen Grundsätzen verschrieben hat. Die Fähigkeit und Bereitschaft, für den eigenen Entwurf Vorhandenes aufzunehmen und weiterzuentwickeln und es in seiner Gesamtheit zu einem stimmigen Ganzen zu verschmelzen, scheint hier in besonders ansprechender Weise gelungen.

Die ältesten Pfeifen der Orgel, jede einzelne von Marcussens eigener Hand 1895 fein säuberlich beschriftet, tragen noch neben der Registerbezeichnung die Aufschrift "St. Peter" und zeigen damit deutlich, wofür sie einst gemacht wurden. So sind jetzt der erste Stifter Jacob Ketels und die vielen Spender des Orgelbauvereins von Nah und Fern, jahrhundertealtes handwerkliches Können und moderne Technologie, Erfahrungen aus hundert Jahren Orgelbau in der Kirche St. Peter und die schöpferische Kreativität der Erbauer vereint in der neuen Orgel.

Generationen reichen sich die Hand, hoffentlich für viele weitere Generationen.