Tinnitus – oder „Mein Freund Harvey“

06. Februar 2015, Michael Jacobs

Prof. Dr. Sigmund Otte begrüßte die zahlreichen Besucher und den Referenten des Abends, HNO-Facharzt Dr. Andreas Gerken, zum Auftakt der neuen Vortragsreihe zu verschiedenen medizinischen Themen, die jeden 1. Donnerstag im Monat in der GesundheitsKlinik „Stadt Hamburg“ stattfinden werden. Die Vortragsreihe wird durch die Peter-Jochimsen-Stiftung finanziert, der Eintritt ist frei.

„Tinnitus ist so alt wie die Menschheit.“ Mit diesen Worten eröffnete Dr. Gerken seinen Vortrag. In Deutschland gibt es bislang ca. 3 Mio. Betroffene, jährlich kommen 270.000 hinzu. Als Erkrankung wird Tinnitus dennoch nicht bewertet, sondern als Symptom. 40% der Betroffenen hören ein Pfeifen, 28% nehmen ein Rauschen wahr, 11% ein Summen, 6 % hören Klingeln, Piepsen oder ein Zischen, weitere 8 % andere Geräusche. Die eigentliche Ursache ist nicht oder nur schwer zu finden, immerhin wird Stress am häufigsten als Auslöser genannt. Hat man erst einmal Tinnitus, öffnet sich schnell ein anderes Feld für weitere Erkrankungen, wie Depressionen, Schlafstörungen oder andere psychovegetative Störungen. Proportional sind Frauen häufiger betroffen als Männer.

Ohrgeräusche entstehen nicht im Ohr, sondern im ganzen Gehirn, wie Untersuchungen ergeben haben. Bei Patienten mit Tinnitus wurde durch bildgebende Verfahren festgestellt, dass neuronale Aktivitäten in verschiedenen Bereichen des Gehirns verändert sind. Das Hören ist im Grunde genommen ein komplexer Prozess im Gehirn: es wird gehört, bewertet und abgespeichert, dieses Verhalten rührt vermutlich noch aus Zeiten, in denen der Mensch Teil der Nahrungskette war. Aber je mehr „innen hören“, desto mehr verstärkt sich das Ohrgeräusch unter Umständen. Übrigens können auch taube Menschen an Tinnitus leiden.

Fachleute teilen die Symptome in 4 Grade ein, wobei Grad 1+2 unter kompensiert (also nicht unbedingt als störend wahrgenommen) und 3+4 unter dekompensiert (als Einschränkung wahrgenommen) eingeteilt werden. Therapien gibt es wie Sand am Meer, hochgejubelt, teilweise aggressiv vermarktet. Sie verschwinden meistens genau so schnell, wie sie gekommen sind. Halten die Ohrgeräusche länger als drei Monate an, spricht man bereits von einem chronischen Tinnitus. Es gibt medikamentöse Behandlungsformen, Retraining-Programme und sogenannte Noiser. Das sind Geräte, die einen einem Hörgerät ähnlichen Ton mit dem Ziel produzieren, nicht mehr den eigenen Ton im Ohr zu konzentrieren. In jedem Fall ist der Besuch bei einem Facharzt wichtig, um die wirkliche Ursache eines Tinnitus heraus zu finden.